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Haiphong, März 1973
Originaltitel: A woman and a traumatised girl stand in a landscape of ruins and bomb craters in front of war-destroyed buildings in the harbour city Haiphong in North Vietnam, photographed in March 1973. She wears a white head bandage as a sign for lost relatives. Image by © Werner Schulze/dpa/Corbis (Quelle: https://www.flickr.com/photos/13476480@N07/6514693931/in/album-72157628413672853/) |
Im Frühjahr 1975 arbeitete ich in Haiphong. Der Krieg in Südvietnam hatte eine sehr bedrohliche Form angenommen. Die Informationen über das Ausmaß des Krieges und den Frontverlauf bekamen wir ausschließlich über das Strassenradio mit. Fernsehen gab es bei uns nicht. In den Straßen standen hunderte LKWs mit Munition, im Hafen wurde nur noch Kriegsmaterial entladen.
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Haiphong Hafen, 1975 (Quelle: http://www.magnumphotos.com/C.aspx?VP3=SearchResult&VBID=24PVHK0ZBPFNQ) |
Eine Generalmobilmachung wurde gestartet, nicht alle gingen freiwillig. Unsere Kollegen verharrten in einer nach außen euphorischen (nach den Nachrichten des Radios) und gleichzeitig ängstlich zurückgezogenen Haltung. Denn in allen Familien waren Kämpfer, deren Schicksal unbekannt war. Alle befürchteten auch, dass die Amerikaner noch einmal mit Flächenbombardements auf die DRV eingreifen würden.
Dann, ab Anfang April begann das Blatt sich zu wenden. Zunächst kam die Information, dass starke Kämpfe in und um Hue ausgebrochen waren. Hue wurde befreit und dann ging es Schlag auf Schlag. Viele Großstädte wie zum Beispiel Da Nang, Na Trang und schließlich Saigon wurden überrollt. Die südvietnamesische Regierung und ihre Armee zerbrach und suchte ihr Heil in der Flucht. Ein verfaultes Regime brach wie ein Kartenhaus zusammen.
Essentielle Fragestellungen standen im Mittelpunkt. Denn wie sahen die Lebensverhältnisse in der DRV aus (Zahlen stammen vom Vorsitzenden der staatlichen Plankommission der DRV Le Khac vom 21.2.1976):“Im Jahr 1975 lag der Verbrauch an Reis um 165 kg pro Kopf der Bevölkerung, bei Fleisch um 7 kg, bei Fisch um 12 kg, bei Zucker um 5,5 kg und bei Baumwolle und Seidengewebe um 7,5 m. Annähernd 30% der Bevölkerung auf dem Lande lebt in Ziegelgebäuden. Das Hauptproblem in den Städten besteht in der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wohnraum. In den Jahren des Krieges sind 5 Mio. m² Wohnfläche zerstört worden. Gegenwärtig beträgt die Norm des Wohnraumes pro Kopf der Bevölkerung 2,4 m², das ist die niedrigste Kennziffer der Welt. Die Bevölkerung der DRV wuchs von 1965 bis Ende 1975 um 5,5 Millionen (29,7%).“ In der DRV fehlten Nahrungsmittel und das in erster Linie für die nichtländliche Bevölkerung, das Nahrungsmitteldefizit betrug im Jahre 1975 800.000 t. Enorme Schwierigkeiten gab es bei der Versorgung der Bevölkerung in Südvietnam. Von 20,5 Millionen Einwohnern waren etwa 3 Millionen arbeitslos. Trotzdem wurde die Lebensmittelversorgung der im Norden angeglichen. In Haiphong war die Versorgung besonders prekär, die Bevölkerung bekam auf Zuteilung 13,5 kg Reis/Monat (162 kg/a) und 300 g Fleisch (3,6 kg/a). Sowohl das Reis- als auch das Fleischdeputat konnte nicht in der Form des Grundnahrungsmittels abgegeben werden, sondern wurde in Form von Weizenmehl und Erdnüssen ausgereicht. Das war die Situation, in der unsere vietnamesischen Kollegen versuchten, unseren Auftrag zu erfüllen.
Uns als Spezialisten ging es ein wenig besser, als ich im Juni wieder in Greifswald ankam, wog ich exakt 50 kg.